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Otto Fenyvesi
DER LOHN DES UMHERSCHWEIFENS

Martin Heideggers kurzes, 1949 entstandenes Essay "Der Feldweg" unterscheidet sich verwirrend von allen seinen Werken. Aufgrund der ersten Sätze weckt es sogar den Anschein, eine lyrische Reisebeschreibung zu sein, mit der er jenen Fußpfad vorstellt, der sich aus seinem Geburtsort Messkirchen die flache Senke umgehend zum Weg führt. "Es läuft aus dem Hofgartentor zum Ehnried. Die alten Linden des Hofgartens schauen ihm über die Mauer nach, mag er um die Osterzeit hell zwischen den aufgehenden Saaten und erwachenden Wiesen leuchten."Aber bereits im zweiten Absatz treffen wir auf eine Mitteilung, die offenbart, dass wir doch keine Reisebeschreibung lesen: "Darauf lag bisweilen die eine oder andere Schrift der großen Denker, die eine junge Unbeholfenheit zu entziffern versuchte. Wenn die Rätsel einander drängten und kein Ausweg sich bot, half der Feldweg. Denn er geleitet den Fuß auf wendigem Pfad still durch die Weite des kargen Landes." So handelt es sich zweifelsohne von dem symbolischen Pfad, den Heidegger schon seit seiner frühen Jugend begangen hatte, wonach er sich an das Studium der Gedanken der großen Philosophen machte. Wir haben es also mit einer Allegorie zu tun, wobei es uns nicht überraschen sollte, wenn beispielsweise die Eiche zu sprechen beginnt über die Langsamkeit und Beständigkeit, mit der der Baum wächst. "Die Eiche selber sprach, dass in solchem Wachstum allein gegründet wird, was dauert und fruchtet: dass Wachsen heißt: der Weite des Himmels sich öffnen und zugleich in das Dunkel der Erde wurzeln." Ein romantischer Code: den Feldweg mit der Eiche zu verbinden. Aber es entbehrt auch nicht der Logik, denn es sind die Schritte bemessen, mit denen sich der Mensch auf dem Weg bewegt und von ihm alles einsammelt, was zum Wesentlichen gehört, Blumen, Zweige, Düsterkeit und Gewicht des Nebels der unangetasteten, von Zivilisation und Industrie fernen Wiesen. Der Weg kann auch als eigentümliche Verlängerung des menschlichen Körpers aufgefasst werden, er wächst aus der Erde hervor, aber am Horizont erstreckt er sich in den Himmel.
Der Feldweg ermuntert gewissermaßen den Fußgänger, der in der Dämmerstunde zur einsamen Spaziergang unter den Mauern des Schlosses aufbricht. "Aber der Zuspruch des Feldwegs spricht nur so lange, als Menschen sind, die (.) ihn hören können." "Die Gefahr droht, dass die Heutigen schwerhörig für seine Sprache bleiben. Ihnen fällt nur noch der Lärm der Apparate, die sie fast für die Stimme Gottes halten, ins Ohr. So wird der Mensch zersprengt und weglos." Also den Feldweg, und das, was er symbolisiert, den Sinn des Lebens, das Unterwegssein verstehen nur die freien Menschen, die weder auf drängendes Ziel, noch unentwegten Willen bestehen. Die, durch die der Wind hindurchweht, die Wärme und der Waldduft hindurchstrahlt. Die kein Widerstand kennzeichnet, kraft dessen sie diese schlichte Schönheit der Welt zurückwiesen oder sie gar nicht gewahrten.
Das Gehen, das Sich-Fortbewegen zu Fuß beschreibt Heidegger in diesem Essay als eine Erfahrung, die uns hilft zu verstehen, in welche Beziehung unser Körper durch die Natur in Verbindung kommen könnte mit dem Universum. "Wohl verringert sich rasch die Zahl derer, die noch das Einfache als ihr erworbenes Eigentum kennen. Aber die Wenigen werden überall die Bleibenden sein. Sie vermögen einst aus der sanften Gewebe des Feldweges die Riesenkräfte der Atomenergie zu überdauern."
Wenn auch viele seine 1946 entstandenen Briefe über den Humanismus als das umfassendste Werk Heidegger halten, sozusagen als sein Testament, in dem er die Kontroverse zwischen den französischen und den deutschen Existenzialisten zusammenfasst, die Wende in seiner Gesinnung erfolgte schon viel früher. Zwischen 1930 und 1940 hielt Heidegger eine ganze Reihe Vorträge, in denen er sich nach und nach einen neuen Standpunkt vertritt, stilistisch einen neuen "(Feld)Weg", einen neuen Pfad eröffnete. Die bündigste Beschreibung der Anfänge können wir in seinem Essay Der Ursprung der Kunst lesen, in dem er seine über Nietzsche gehaltenen Vorträge zusammenfasste. Von allen Philosophen hat er sich am eindringlichsten mit Nietzsche befasst, und aus diesem Dialog entstand ein anderer Heidegger. In seinem Denken nach der "Wende" wurde für ihn weniger die Frage des Daseins als jene des Seins, des in der Welt-Seins, der Alltäglichkeit, die Zeitlichkeit wichtig, was aber nicht die Ableugnung der Existenz Gottes bedeutet. Der Mensch ist nicht Herr des Seins, er ist in Heideggers Auffassung nicht Mittelpunkt, sondern "Hirte des Seins", dessen Aufgabe es ist, seine Welt zu betreuen, die verborgene Wahrheit des Seins zu Erdenken, sich in sie hinein zu denken, sie zu hinterfragen. Im Mittelpunkt von Heideggers Denken steht die sogenannte Geschichte des Seins, die nichts anderes ist, als die Verfolgung jenes Weges, die diese (die Frage des Seins) durchwandert hatte. Diese zusammengesetzte Wandlung, die sich in der Philosophie Heideggers abgespielt hatte, ist in einer eigentlich vereinfachten Variante, gleichsam essenziell in Der Feldweg zu lesen.
Im Schlussteil dieser 1949 entstandenen Essays behandelt er akzentuiert die Kategorie der Heiterkeit. "Der Zuspruch des Feldweges erweckt einen Sinn, der das Freie liebt und auch die Trübsal noch an der günstigen Stelle überspringt in eine letzte Heiterkeit." Was sollen wir denn untere Ausdruck der letzten Heiterkeit verstehen? Die Heiterkeit des Alles ist Einerlei des Nihilismus? Oder das Glück der Armen im Geiste, die selige Unwissenheit? Heidegger weiter lesend neigen wir dazu, darunter eher die weise Heiterkeit, die vom Verstehen unseres Selbst, vom Finden unseres Selbst, von einer Art Erhellung herrührt zu verstehen. Jene des Philosophen, des Künstlers? "In der jahreszeitlich wechselnden Luft des Feldwegs gedeiht die wissende Heiterkeit, deren Miene oft schwermütig scheint. Dieses heitere Wissen ist das "Kuinzige". Niemand gewinnt es, der es nicht hat. Die es haben, haben es vom Feldweg." Das Wissen kann sich nur der Wanderer erwerben, der die Wiese umarmt, sie in sich aufnimmt, der die Landschaft weiterträumt und webt. Zur Essenz des Lebens gelangt man mittels Dichtung - ist Heideggers Botschaft. "Die wissende Heiterkeit ist ein Tor zum Ewigen. Seine Tür dreht sich in den Angeln, die aus den Rätseln des Daseins bei einem kundigem Schmied einst geschmiedet worden." Die beiden zentrale Motive von Heideggers Philosophie sind: die historische Erfahrung und die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit des Lebens des Einzelnen.
Für den, den die Abendglocke auf dem Feld erwischt, wird das Einfache noch einfacher. Spricht die Seele, die Welt, Gott den Umherschweifenden an? "Alles spricht den Verzicht in das Selbe" - ist Heideggers Antwort. Der Verzicht nimmt aber nichts weg, eher gibt er. Den Weg und den Gang.

Aus dem Ungarischen von Julia Schiff

Anmerkungen

Ottó Fenyvesi *1954 in Gunaras, in der Batschka (ehemaliges Jugoslawien). Lyriker und Graphiker. Studium der Philosophie an der Universität in Novi Sad sowie an der Filmhochschule in Zagreb. Mitglied des Ungarischen Schriftstellerverbandes und jenes der Wojwodina. 1975-1983 Redakteur der namhaften Zeitschrift Uj Symposion in Novi Sad; nach seiner Übersiedlung 1991 nach Ungarn Redakteur der Zeitschrift Ex Symposion in Veszprém, Chefredakteur der Literaturzeitschrift Vár Ucca - Mûhely sowie Herausgeber der Bücherreihe Baláca-könyvek. Individuelle und Gruppenausstellungen, Collagenband Buzz off! (1994), 5 Lyrikbände. Stipendien- und Studienaufenthalte in Paris, Slowenien und am Mc Luhan Institute. Mitarbeiter des Regionalausschusses der Ungarischen Wissenschaftlichen Akademie.

Julia Schiff, geboren in Detta/Rumänien. Wurde 1951 mit 11 Jahren zusammen mit den Eltern als unzuverlässig empfunden an der Schwelle des von Stalin gegen Tito geplanten Rachefeldzugs für fünf Jahre in die Bãrãgansteppe deportiert. Dipl.-Philologin (Rum./Franz.) und Dipl.-Übersetzerin (Belletristik) im Sprachendreieck Deutsch/Ungarisch/Rumänisch. Seit 1981 wohnhaft in München. Freischaffende Schriftstellerin, Übersetzerin, Journalistin, Literaturkritikerin. Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften im In- und Ausland, 17 Bände, zuletzt Reihertanz (Roman, Pop Verlag Ludwigsburg, 2011). Verschiedene literarische Auszeichnungen. Mitglied des Rumänischen Schriftstellerverbandes.