OttóFenyvesi
1968
- der schönste Sommer meiner Flegeljahre -
In dem Sommer hieß auch die Ziege
des Nachbars Manchester.
Der Fußball hat uns gefangen genommen.
Wir spielten Tag und Nacht Fußball,
dribbelten auch im Traum,
stießen die Elfmeter, denn
für drei Korner stand ein Elfmeter zu.
Die Gerechtigkeit hat gesiegt: '68 gewann
die Manchester United den BEK .
George Best, der Nordire-Außen der United
erhielt den goldenen Apfel. Die Haare reichten
ihm bis zu den Schultern, die Portugiesen
gaben ihm den KosnamenEl Beatle,
er war der erste Fußball-Popstar, Männer
wie Frauen schwärmten gleichermaßen für ihn.
Wir, ungarische Kinder von Topolya
spielten Fußball jeden lieben Tag in Epres:
Laci Benda, die Brüder Benedek,
ImiOzorák, LaciKéri, FerikeHatala,
Csizovszki, Badesz, Csobancsics.
Meine Mutter, die Näherin war, schneiderte mir
einen roten Manchester-Dreß,
darin stieß ich ins Tor.
Noch keine Ahnung vom System der Diktaturen,
den Manipulationen, dem Despotismus.
Manchmal bekamen wir Durchfall wegen Selbstverwaltung.
Wir wollten nur leben, Fußball spielen, Freunde sein,
träumen von Brüsten der Frauen.
Nach der sonntäglichen Vormittagsmessen
gingen wir ins Kino, zur Matinee.
Für alles waren wir Käufer:
Wildwestgeschichten, Katastrophen, aber am meisten
wollten wir die aufblitzende Brust der Schauspielerinnen sehen
(Brigitte Bardot, Raquel Welch, Jane Birkin,
Claudia Cardinale, Gina Lollobrigida,
Ursula Andress, Marilyn Monroe).
Gewöhnlich stellten wir uns als Indianer vor,
und kämpften gegen die bösen Bleichgesichter.
Gefangengenommen hat uns die Freiheit der Prärie.
Wir wollten nur das Leben verschlingen.
Die Liebe hat uns gefangengesetzt.
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1 Pokal der Europameisterschaft. Manchester United - Benfica 4:1 nach Verlängereung.
Wir tranken Sirup, tranken Vitracitrol.
Insgeheim rauchten wir und tranken Bier,
gingen in den großen Topolyaer Garten
um Liebespaare zu belauern,
die es im Gestrüpp an der Köfal-Straße
trieben wie die Wildhasen.
In meiner Kindheit sah ich schon was Ähnliches
als in Gunaras, bei den Balassa-Großeltern
der Hengst die Stute bedeckt hat.
Schwül war der Sommer 1968,
ich war noch keine Vierzehn.
Der Kürbis blühte, die Melonen reiften früh heran.
Es war Frieden, die Fabrik tutete, manchmal endete
die Schicht, die Arbeiterklasse ging heim.
Kartoffel brieten am Feuer, amKrivaja regte sich ein Windhauch.
Abends glänzten die Sterne ungezählt,
wir wußten nichts vom Pragaer Frühling,
noh von der Aufstand der Pariser Studenten.
Die sexuelle Revolution hatte um Topolya
einen weiten Bogen gemacht!
So richtig hatte ich noch kein Mädchen geküßt.
Im Frühjahr waren wir in der Schule in I. Egeresi
und Hajnalka B. verliebt.
Aber der Sommer war was Anderes. Der 1. Juli
fiel auf den Montag. Die Hitze war schwül.
Im afrikanischen Zambia schneite es im Juli
zum ersten Mal in der Geschichte des Landes.
Eine Straßenbahn sauste mit uns von Szabadka nach Palitsch,
wo ein Orchester spielte auf der großen Terrasse vom Seeufer
und wunderschöne Mädchen in Miniröcken tanzten.
Der Rock and Roll hatte uns gefangengenommen.
Die Beatles haben die Top-Listen bereits abgegrast,
es gab außerdem Gemo ,
Shadows, Beach Boys, Animals,
Spencer Davis Group, Monkees, Doors,
Credence Clearwater Revival und Jimi Hendrix.
Alle wollten lange Haare tragen,
und überall tönte Hey Joe,
als ich noch ein Kind war, konnte ich
nicht schwimmen. Mit meinem Cousin Laci
planschten wir im Palitscher See.
Im August ging ich in Sommerfrische aufs Land,
nach Mohol-Gunaras, zu meinen Fenyvesi-Großeltern .
Mit meinen Cousins, Izus, Öcsi und Zsuzsi
gingen wir baden nach Pobeda, in den Schwimmbecken
des sozialistischen Latifundiums.
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2 Roling Stones (I Can'tGetNo) Satisfaction
Dort gab es Umkleidekabinen und auch einen hohen Springturm,
woher die Gunaraser Jungs: Surányi, Pálinkás, Klebecskó
sprangen Kopf. Sie prangten in Schwalbe und waren
ausnahmslos verliebt in RózsikaSz.,
das schönste Mädchen aus Gunaras.
Sie waren Nachbarn meines Onkels Sándor.
Auch ich verliebte mich blitzschnell in sie,
sie war um etwa ein Jahr älter als ich,
und schön wie Claudia Cardinale.
Ich betrachtete sie schmachtend, während ich
hoffnungslos mit den Kindern planschte
in dem bis zur Hüfte reichenden Wasser.
Plötzlich wurde sie die Komplimente der Jungen satt,
und schließte sich uns an. Sie sonnte sich mit uns,
dann radelten wir zusammen nach Hause,
von Pobeda nach Gunaras (dreieinhalb Kilometer).
Die Dorfmädchen rissen sich damals
um die gut situierten, reichen Stadtkerle.
Ich konnte weder schwimmen noch tanzen.
Auf der Terrasse der Gunaraser Windmühle spielte
Sonntag abends ein Orchester, wie auch in Palitsch.
Echte, lebende Gitarrenspieler und Trommler.
Und da war RózsikaSz. mit sich rundenen
Busen und Minirock.
Die Mädchen trugen damals noch keinen Büstenhalter.
Unter den flirrenden Lampen tanzte ich mit ihr
auf ie Melodie von House of The Rising Sun
(ich traue kaum meinen Augen:
263 Millionen haben auf dem Youtube draufgeknipst).
Ein schöner, langsamer "aneinander gestemmter" Tanz war's.
Mit Schweißhand drückte, hielt ich
Aphrodites Taille, und bebte fiebrig.
Beinahe ohnmächtig geworden,
trat ich ihr in einem fort auf den Fuß.
Ich sagte ihr, ich ging nicht in die Tanzschule,
kenne die Regel nicht, tut mir leid.
Ich kenne sie immer noch nicht, hänge aus der Reihe heraus,
respektierte Prinzipien und Autoritäten nicht.
Dann führten sie nacheinander die geschickten Jungs
in den Tanz, die Nacht raubte mir RózsikaSz. fort,
ich blieb, zunichte geworden, an die Wand der Mühle gelehnt.
Trank Biere in langen Zügen und rauchte Tabak.
Die stumme Liebe hatte mich gefangengesetzt.
Am Montag ging ich mit dem Morgenbus nach Hause,
und begab mich wieder dem Fußball,
den Filmen und den Mädchen von Topolya.
I. Egeresi und Hajnalka B. Liebäugelten da
bereits mit größeren Burschen,
uns blieben die kleineren Backfische übrig.
Unsere aus edenischer Unwissenheit herrührende
Seligkeit ging langsam ihrem Ende zu.
Ende August ließen wir den Ball gerade
in Epres rollen,
als gegen Abend auf der Morawitzaer Straße
losfuhren die Panzer der jugoslawischen Armee
nach Nord, in Richtung der Grenze zu Ungarn.
Die Russen hatten soeben die Tschechoslowakei besetzt.
Mein Vater fluchte laut,
nach ein paar Tagen gab er seinen Gewerbeschein ab,
und ging fort als Gastarbeiter
nach Westdeutschland.
Es war nur ein schwindender Sommer,
einer von Hunderten, jener achtundsechziger,
in der endlosen Karambolage der Zeit,
wir wollten den Sonnenschein dorthin hereinlassen,
wo wir lebten. Die Maulbeerbäume drohten
zusammenzubrechen unter der Ernte, sie waren voll
mit Seidenraupen, der Kürbis blühte erneut,
auf dem spiegelglatten Wasser des Pobedaer Schwimmbeckens
erblitzte das Spiegelbild des Springturmes,
und auf der Terrasse der Gunaraser Windmühle
trockneten für immer jene Tränen auf, die
RózsikaSz. wegen jemals vergossen wurden..
Übersetzung aus dem Ungarischen Julia Schiff
von Julia Schiff